Die Mitglieder des Vereins Frauenstadtrundgang Winterthur setzen sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum ein.
Dies erreichen wir durch unsere szenischen Stadtführungen, die den Fokus auf Frauen- und Genderthemen legen und auf wissenschaftlich recherchierter Alltags- und Sozialgeschichte basieren. Ausserdem publizieren wir Frauengeschichte(n) im Internet und in Büchern und reichen regelmässig Vorschläge für Strassennamen ein.
Inspiriert vom Zürcher Vorbild, initiierte 1997 die Winterthurerin Monika Imhof, damals Germanistik- und Geschichtsstudentin, die Gründung eines eigenen Vereins in der Eulachstadt. In einem Inserat, das sie im damaligen Frauenzentrum im «Bauhof» an der Steinberggasse aufhängte, suchte sie weitere Interessierte. Es meldeten sich vier Frauen: Die Sozialwissenschaftlerin Silvia Bärtschi-Baumann und die damaligen Geschichtsstudentinnen Barbara Heuberger-Brauchli (sie war bereits im Verein Frauenstadtrundgang Zürich aktiv), Marianne Ingold und Helen Girardier. Ihr gemeinsames Ziel: Einen lokalen Stadtrundgang anzubieten, der die bislang verborgen gebliebene Geschichte der Frauen in Winterthur zum Inhalt haben sollte.
Frauengeschichte war in Winterthur bis dato kaum aufgearbeitet worden; kein Standardwerk, wenig Sekundärliteratur, und nur einzelne Artikel, Hinweise in Familienchroniken und Jubiläumsschriften waren vorhanden. Nicht einmal auf den Stammbaumtafeln waren die Frauen immer aufgeführt, fast so, als ob die Männer ihre Stammhalter selbst geboren hätten. Es wartete viel Grundlagenforschung auf die Vereinsgründerinnen, vor allem in der Handschriftenabteilung der Stadtbibliothek sowie im Stadtarchiv Winterthur und Staatsarchiv Zürich.
Sichtbarkeit durch Führungen
Hauptmerkmal des Vereins Frauenstadtrundgang Winterthur ist die konsequente Kombination von Wissenschaft und Theater. Weil es den Vereinsgründerinnen ein Anliegen war, die Geschichte nicht einfach zu erzählen, sondern zu einem Erlebnis zu machen, das lange in Erinnerung bleibt, setzten sie von Beginn an auf ein szenisches Vermittlungsformat. Um die wissenschaftlich erarbeiteten Inhalte in Szene zu setzen, holten sie die Schauspielerin und Historikerin Irène Trochsler-Betschart ins Team. Von 2014 bis 2023 arbeitete der Verein mit der Winterthurer Schauspielerin und Regisseurin Sabina Deutsch zusammen. Seit 2023 unterstützt uns die Theaterpädagogin, Schauspielerin und Regisseurin Deborah Hefti.
Für die Erarbeitung der Drehbücher wird jeweils eine Recherchegruppe bestehend aus mehreren Historikerinnen und einer Theaterfachfrau gebildet. Nach Festsetzung des Themas und ersten Recherchen wird das Material ausgesucht und eine stimmige Route entwickelt, die nach Möglichkeiten an Originalschauplätzen entlang führt. Danach werden die Inhalte in Form von Dialogen in eine szenische Form gebracht. Bei der Drehbuchumsetzung müssen dabei immer wissenschaftliche sowie dramaturgische Grundsätze und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Durch das Schauspiel erhalten historische Persönlichkeiten einen Körper, eine Stimme und ein eigenes Auftreten. Nach der Drehbucherarbeitung werden die einzelnen Szenen eingeprobt und auch passende Kostüme sowie Requisiten entworfen. Da die Stadtführungen im öffentlichen Raum stattfinden, müssen die Kostüme transportiert und vor Ort gewechselt werden können.
Fünf bis acht Fachfrauen sind es, die sich jeweils für die Entwicklung eines neuen Rundganges zu einem Rechercheteam zusammenfinden. Allen gemeinsam ist die Lust, Frauengeschichte(n) so aufzuarbeiten, dass man sie auf ansprechende, anregende Weise weitervermitteln und unter die Leute bringen kann. An Ideen zu interessanten Themen fehlte es bisher nicht: Nach wie vor sind viele bemerkenswerte Winterthurerinnen zu entdecken und viele Kapitel der Winterthurer Vergangenheit auf frauengeschichtliche Aspekte hin zu erkunden.
Nach der Themenwahl heisst es für das Rechercheteam zunächst «Abtauchen», in Bibliotheken, Archiven, Sammlungen. Gibt es Quellen zum ausgewählten Thema, d.h. Bilder, Beschreibungen, Briefe, Tagebücher, Notizen von und über Frauen? Ist vielleicht bereits früher darüber geschrieben worden? Und wer könnte allenfalls weiterhelfen?
Um diesen Fragen nachzugehen bedarf es einer zeitaufwändigen Suche in Karteikästen, Archivschachteln, Bücherregalen und im Internet. Gelegentlich ist es ein wahres Erfolgserlebnis, wenn sich endlich eine Spur abzeichnet, die sich weiterverfolgen lässt. Zum Beispiel, wenn die neugierige Forscherin das 1852 erschienene Buch «Das Hauswesen» ausfindig macht, in dem die Winterthurerin Maria Kübler hilfreiche Ratschläge für die verheiratete Frau erteilt. Oder wenn sie in einem umfangreichen, mittelalterlichen Gerichtsprotokoll stöbernd, auf die 20-jährige Dienstmagd Elsi Wüst stösst, die ihren treulosen Verlobten gerichtlich zum Heiraten zwingt. Oder wenn sie überraschend Fotos aus den 1960er Jahren findet, die Italienerinnen als Kranführerinnen bei der Firma Sulzer zeigen. Solche Entdeckungen entschädigen für viele Stunden ergebnislosen Wühlens.
Parallel zur Materialsammlung befasst sich das Team mit den Örtlichkeiten, die sich als Stationen für den künftigen Rundgang eignen könnten. Während sich einzelne Standorte von Anfang an aufdrängen, müssen für andere das passende Gebäude, die treffende Strasse, der richtige Platz zuerst gefunden werden. Ziel der nächsten Arbeitsphase ist es, alle Orte zu einer geschickten Route zu verbinden. Ein weiteres Ziel ist, die eingeholten Informationen wie Puzzleteile zu sortieren und zusammenzufügen.
Ist der ganze Rundgang einmal zu Papier gebracht, ist eine wesentliche Etappe erreicht. Doch der Prozess ist damit keineswegs abgeschlossen: Spielszenen wie Sprecherinnen-Texte müssen nun den Test im Freien bestehen.
Mit Spannung erwarten jeweils alle Mitarbeiterinnen diesen wichtigen Schritt hinaus auf die Strasse. Umso grösser ist oft die Ernüchterung, die sich bei der ersten Probe draussen meist schon nach kurzer Zeit einstellt. Da hat man mit aller Sorgfalt gearbeitet – und nun sind die Stationen noch immer zu lang, viele Sätze zu umständlich, die Zitate allzu ausführlich. Der Auftritt der liebevoll ausgestalteten Spielfigur wirkt hölzern und ganz anders, als man es sich doch vorgestellt hatte. Hinzu kommt, dass erst jetzt auffällt, wie stark der laute Strassenverkehr das Zuhören an gewissen Standorten erschwert und wie selbst vorbei flanierende Leute die Aufmerksamkeit beeinträchtigen können.
Auch in anderer Hinsicht ist diese letzte Phase nochmals eine intensive, geschäftige Zeit: Kostüme werden genäht, Accessoires hergestellt und Requisiten aufgetrieben. Bilder und Fotos müssen vergrössert und laminiert, Werbekarten gedruckt und verteilt werden. Und dann ist es soweit: die Fachfrauen können ihren ausgereiften Rundgang einem erwartungsvollen Premierenpublikum vorstellen.
Sichtbarkeit publiziert
Es wäre ja eine Schande, wenn das von den Rechercheteams zusammengetragene Wissen über die Frauengeschichte(n) von Winterthur in einer für die Allgemeinheit unzugänglichen Ablage verschwinden würde, daher publizierte der Verein Frauenstadtrundgang Winterthur in zwei Büchern – «Frauenblicke» und «Schauplätze» – die ersten 9 Stadtrundgänge. Die fleissigen Historiker:innen verfassten einige Artikel für das Winterthur Glossar, das digitale Nachschlagewerk über die Stadt Winterthur, und schrieben spannende Blogeinträge, die du hier findest:
Frauenblicke
Die Frauen waren in der Geschichtsschreibung der Stadt Winterthur bis 1998 mehr oder weniger ein blinder Fleck. Diese war geprägt von lauter gescheiten und mutigen Männern, hinter denen man die Frauen bestenfalls vermuten durfte. Dass auch das Leben in früheren Jahrhunderten zweifellos von Frauen mitgeprägt wurde, davon waren die fünf Historikerinnen Sylvia Bärtschi-Baumann, Helen Girardier, Barbara Heuberger-Brauchli, Monika Imhof und Marianne Ingold überzeugt, als sie sich zusammentaten, um die bislang verborgen gebliebene Geschichte der Winterthurerinnen zu erforschen. Sie vergruben sich in Archiven, lasen sich durch Familienchroniken und durchforschten Tausende von Briefen, Eheverträgen, Heirats- und Trauerreden. Das gesammelte Material verarbeiteten sie zum ersten Winterthurer Frauenstadtrundgang und begründeten damit die Erfolgsgeschichte der unterdessen vier Frauenstadtrundgänge. Szenisch aufbereitet geben diese an verschiedenen Schauplätzen in der Stadt lebendige Einblicke in den Alltag von Frauen, die in der Zeit zwischen dem Mittelalter und dem 20. Jahrhundert als Gattinnen von Industriellen und Politikern, aber auch als Klosterfrauen, Dirnen, Arbeiterinnen und Migrantinnen lebten.
Mit dem vorliegenden Buch gibt es die ersten vier Frauenstadtrundgänge jetzt auch in schriftlicher Form. Damit ist ein erster wichtiger Schritt getan, um die Geschichtsschreibung im Wortsinn durch den bisher fehlenden Teil der Frauen zu ergänzen.
Konzept und Redaktion:
Kathrin Bänziger, Marianne Härri, Monika Imhof, Regina Speiser
Autorinnen:
Sylvia Bärtschi-Baumann, Sarah Bolleter, Regina Brunner-Huber, Nathalie Büsser, Helen Girardier, Anne Guddal-Sägesser, Marianne Härri, Barbara Heuberger-Brauchli, Lucie Hitz Zimmermann, Monika Imhof, Marianne Ingold, Nathalie Kolb Beck, Annemarie Rüegg-Baumann, Regina Speiser, Jeannine Stauffer, Irène Trochsler
Schauplätze
Der Inhalt des Buches widerspiegelt die Anliegen und Tätigkeitsbereiche des Vereins.
Verena Rothenbühler nutzt in ihrem Aufsatz zur Entwicklung der Frauenrollen seit dem Mittelalter Quellen-Recherchen des Frauenstadtrundgangs Winterthur und ergänzt diese um weitere spannende Archivfunde.
Eva Bachmann zeigt in einem kurzen Überblick die Bedeutung der Frauenstadtrundgänge in der Schweiz von der Gründungsphase bis heute.
Im Herzen des Buches finden sich die Rundganglektüren, also die Dokumentation der Ergebnisse der Recherchen für die folgenden Rundgänge: «Hebamm, Schwöschter, Jumpfer Tokter – Winterthurerinnen in Pflege und Medizin»; «Safran, Schmalz und Suppenwunder – Essen und Trinken in Winterthur vom 16. bis zum 20. Jahrhundert»; «Frauebadstund und grossi Wösch – Wasser in Winterthur vom 15. – 21. Jahrhundert»; «Vom Chindsgi bis zum Altersheim – 200 Jahre wohltätiges Wirken in Winterthur»; «8400 – Vitodura packt aus! Ein Streifzug durch 750 Jahre Stadtgeschichte».
Im dritten Teil des Buches wird den Leser:innen ein Blick hinter die Kulissen des Vereins gewährt: Wie ein Rundgang entsteht, erläutert Helen Girardier.
Regina Speiser sprach mit den Regisseurinnen Irène Trochsler und Sabina Deutsch und verbrachte einige Zeit in Marianne Keels Atelier, wo die Kostüme entstehen und woher die Accessoires und Requisiten für die Rundgänge stammen. Monika Imhof erinnert sich auf einem virtuellen Rundgang abschliessend mit Helen Girardier an die Gründungszeit und die prägenden Stationen der Vereinsgeschichte.
Buchprojektteam:
Karin Briner, Jeannine Stauffer, Bettina Mosca, Fränzi Thürer
Autorinnen:
Eva Bachmann, Helen Girardier, Verena Rothenbühler, Regina Speiser
Artikel Winterthur Glossar
Folgende Artikel im digitalen Stadtlexikon von Winterthur wurden durch die Mitglieder des Vereins Frauenstadtrundgang Winterthur verfasst:
Jacqueline Fehr
Die 1963 in Elgg ZH geborene und in Winterthur wohnhafte Politikerin startete ihre Karriere 1990 im Stadtparlament von Winterthur als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei (SP). Von Winterthur ging es weiter nach Zürich in den Kantonsrat und danach nach Bern in den Nationalrat.
Den vollständigen Artikel von Andy Markwalder findest du hier:
Elisabeth Studer von Goumoëns
Elisabeth Studer-von Goumoëns (1878–1970) arbeitete als Krankenschwester im Kantonsspital Winterthur, war Initiantin der Frauenhilfe und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Verbandes für das Frauenstimmrecht sowie Mitbegründerin und Redakteurin der politischen Wochenzeitung «Schweizer Frauenblatt».
Den von Kathrin Moeschlin verfassten Beitrag findest du unter folgendem Link:
Ehegericht
Ebenfalls von Kathrin Moeschlin stammt der Artikel zum Ehegericht Winterthur, das zwischen 1535 und 1798 die Eheschliessung sowie die Institution der Ehe überwachte.
Den vollständigen Text findest du hier:
Königin Agnes von Ungarn
Agnes von Ungarn (um 1281-1364) war sowohl für ihre Einflussnahme auf das politische Geschehen der Habsburger als auch für ihre Stiftungen – unter anderem für das Kloster Töss in Winterthur – bekannt.
Im Winterthur Glossar findest du den ausführlichen Beitrag von Margrit Meyer:
Else Züblin-Spiller
Else Züblin-Spiller (1881–1948) war eine Schweizer Journalistin, Sozialreformerin und Unternehmerin, die sich zeitlebens für soziale Gerechtigkeit und die Verbesserung der Lebensbedingungen benachteiligter Bevölkerungsgruppen einsetzte.
Margrit Meyer verfasste den Eintrag, den du hier findest:
Katharina Sulzer Neuffert
Dass Katharina Sulzer-Neuffert (05.02.1778 – 27.01.1858) heute zu den bekanntesten historischen Frauenpersönlichkeiten Winterthurs gehört, verdankt sie vor allem ihrer Rolle als Unternehmergattin der ersten Stunde und Mutter von Pionieren der Schweizer Industriegeschichte. Das verhältnismässig grosse Interesse, das Historiker ihr als «Stamm-Mutter» des Sulzer-Konzerns entgegengebracht haben, lässt sich aber auch damit erklären, dass Katharina Sulzer-Neuffert eine beispielhafte Illustration des bürgerlichen Frauenideals des 19. Jahrhunderts darstellt.
Im Winterthur Glossar findest du den vollständigen Beitrag von Margrit Meyer:
Elisabeth von Ungarn
Elisabeth von Ungarn (1293/95–1336) war eine ungarische Prinzessin, die 28 Jahre als Nonne im Dominikanerinnenkloster Töss lebte.
Der Beitrag im Winterthur Glossar wurde von Mirjam Sidler geschrieben.
Elsbeth Stagel
Elisabeth (Elsbeth) Stagel (um 1300–1360) war eine Dominikanernonne und spätere Priorin im Kloster Töss.
Mirjam Sidler verfasste den Artikel im Winterthur Glossar
Verein Frauenstadtrundgang
Unser langjähriges Mitglied Regina Speiser schrieb den Beitrag im Winterthur Glossar, in dem sie die Geschichte unseres Vereins darstellte.
Verena Bräm
Verena Bräm (*1932) wurde 1976 als erste Frau zur Bezirksrichterin von Winterthur gewählt; daneben war sie politisch, unter anderem als Kantonsrätin, tätig.
Den vollständigen Artikel von Regina Speiser findest du hier:
Warja Lavater
Warja Lavater (1913-2007) war eine Schweizer Grafikerin und Illustratorin. In den 1930er Jahren wurde sie mit Logos für die Schweizerische Landesausstellung 1939 und den Schweizerischen Bankverein (heute UBS) bekannt.
Der Beitrag im Winterthur Glossar stammt von Mirjam Sidler.
Kindergarten Inneres Lind
Mirjam Staub verfasste den Text für das Winterthur Glossar; hierbei handelt es sich um das älteste noch erhaltene Kindergartengebäude der Schweiz.
Heinrich Morf
Heinrich Morf (1818–1899) war Waisenvater in Winterthur und Pestalozzi-Biograf; für die Biografie erhielt er den Ehrendoktortitel der Universität Zürich.
Die Biografie von Heinrich Morf wurde von Mirjam Staub geschrieben.
Kindergarten Gutschick I
Nadia Pettannice fasste die Geschichte des 1963 erbauten Kindergartens für das Winterthur Glossar zusammen.
Sichtbarkeit in Strassennamen
Bis 2003 gab es in Winterthur lediglich vier nach Frauen benannte Strassen, die allerdings kaum bekannt waren, nämlich die Agnesstrasse, die Gertrudstrasse, der Friedliweg und die Sulzbergstrasse. Anlässlich des Frauenstreiks von 1991 wurde die Forderung nach einer grösseren Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum laut. In diesem Kontext schlugen vier SP-Gemeinderätinnen in Winterthur vor, den «Holderplatz» nach einer Vorreiterin des Frauenstimmrechts umzubenennen. Die Stadt unterstützte das Anliegen, wollte jedoch keinen bestehenden Platz umtaufen. Stattdessen sollten Frauen beim nächsten grösseren Projekt berücksichtigt werden. Als es 2003 darum ging, neugebaute Strassen in Hegi sowie den zentral geschaffenen Platz auf dem Sulzerareal zu benennen, arbeitete das Tiefbauamt mit dem Verein Frauenstadtrundgang Winterthur zusammen. Die im Verein engagierten Historikerinnen stellten eine Liste mit konkreten Namensvorschlägen zusammen, die von den Behörden geprüft wurden und zum Teil Gehör fanden: Der Platz auf dem Sulzerareal wurde «Katharina-Sulzer-Platz» genannt, nach der Mutter der Gebrüder Sulzer. Weiter wurden im April 2003 drei neue Strassen in Hegi nach bedeutenden Frauen benannt: nach Ida Sträuli-Knüsli, Else Züblin-Spiller und Anna Barbara Reinhart.
Im Jahr 2008 reichte der Verein weitere Namen weiblicher Persönlichkeiten für die Benennung neuer Strassen im Dättnau ein. Ausgewählt wurden: Julie Bikle, Hedy Hahnloser, Maria Kübler und für den Elisabethenweg standen gleich zwei Frauen Patin, nämlich Prinzessin Elisabeth von Ungarn sowie die Dominikanerin Elisabeth Stagel. Im Sommer 2023 enthüllte die Stadt Winterthur in einem Festakt die neuen Strassennamen im Zusammenhang mit dem Grossprojekt «Querung Grüze». Der Verein Frauenstadtrundgang Winterthur ist dabei Namenspatin für die «Leonie-Moser-Brücke», die voraussichtlich 2026 fertiggestellt sein wird. Erste Recherchen weisen darauf hin, dass es sich dabei um die erste grosse moderne Brücke der Schweiz handelt, die nach einer Frau benannt ist.
Diese erfolgreichen Strassenbenennungen sind ein Beispiel für das kontinuierliche Engagement des Vereins, Frauen und ihre Leistungen stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Mit ihren Namensvorschlägen für Strassen setzt sich der Verein aktiv dafür ein, die Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum zu erhöhen und ihre Geschichte lebendig zu halten.

Katharina-Sulzer-Platz
Katharina Sulzer-Neuffert (1778-1858) war eine deutschstämmige Schweizer Fabrikantenfrau, die massgeblich zur Entwicklung der Firma «Gebrüder Sulzer» in Winterthur beitrug.
Geboren in Leutkirch im Allgäu zog sie 1795 mit ihrer Schwester in die Schweiz und fand Anstellung als Haushalthilfe bei Hofrat Johann Sebastian von Clais in Winterthur. Dort lernte sie den Schlosser Jakob Sulzer kennen, den sie am 9. Februar 1806 heiratete.
Das Ehepaar bekam zwei Söhne: Johann Jakob (1806) und Salomon (1809). Gemeinsam übernahmen sie die Werkstatt von Jakobs Vater und erweiterten den Betrieb. 1834 übergaben sie das Unternehmen an ihre Söhne, die es unter dem Namen «Gebrüder Sulzer» weiterführten. Katharina unterstützte ihren Mann und später ihre Söhne tatkräftig, sowohl im Betrieb als auch im Familienleben.
Katharina Sulzer-Neuffert wird als starke Persönlichkeit beschrieben, die das Unternehmen und die Familie prägte. Sie kümmerte sich um das Wohl der Arbeiter und war bekannt für ihre Fürsorge. In Winterthur erinnert seit 2003 der «Katharina-Sulzer-Platz» an ihr Wirken.
Else-Züblin-Strasse
Geboren am 1. Oktober 1881 in Seen, wuchs Else Spiller in bescheidenen Verhältnissen auf. Um zum Lebensunterhalt beizutragen, arbeitete sie in verschiedenen Positionen. Diese Erfahrungen sensibilisierten sie für soziale Ungerechtigkeiten und weckten ihr Interesse an sozialen Themen.
1904 begann sie in einem Verlag in Zürich zu arbeiten und verfasste Berichte für verschiedene Landzeitungen. 1911 wurde sie erste Redaktorin der «Schweizerischen Wochenzeitung» und leitete gleichzeitig den Pressedienst der Heilsarmee. Ihre sozialpolitischen Reportagen, darunter Berichte aus den Slums europäischer Grossstädte, machten sie bekannt.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs gründete Else Spiller 1914 den «Schweizer Verband Soldatenwohl», eine Non-Profit-Organisation, die alkoholfreie Verpflegungsstätten für Soldaten einrichtete. Nach dem Krieg setzte sie sich für die Einrichtung alkoholfreier Kantinen in Fabriken ein, um die Arbeitsbedingungen der Arbeiter zu verbessern. 1920 wurde der Verband in «Schweizer Verband Volksdienst» umbenannt, der heute als SV Group AG bekannt ist.
Else Züblin-Spiller war zudem in der Frauenbewegung aktiv, beteiligte sich 1928 an der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa) und war Mitbegründerin des zivilen Frauenhilfsdienstes (FHD) im Zweiten Weltkrieg.
Für ihre Verdienste erhielt sie 1936 den Binet-Fendt-Preis und 1941 das Ehrendoktorat der Universität Zürich. Else Züblin-Spiller verstarb am 11. April 1948 in Kilchberg. Ihr Engagement hat nachhaltige Spuren hinterlassen; sowohl in Zürich-Wallisellen als auch in Winterthur sind Strassen nach ihr benannt.


Ida-Sträuli-Strasse
Ida Sträuli-Knüsli (1847–1918) war eine Schweizer Frauenrechtlerin und Sozialreformerin aus Winterthur. Als Tochter des Notars und Stadtrats Hans Knüsli-Unholz wurde sie früh mit den rechtlichen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen konfrontiert. Diese Erfahrungen motivierten sie, sich für die Rechte und die soziale Stellung der Frauen einzusetzen.
1888 gründete sie den «Frauenbund Winterthur», heute bekannt als «familiaris Winterthur», und präsidierte diesen von 1890 bis 1916. Unter ihrer Leitung eröffnete der Frauenbund ein Stellenvermittlungsbüro und ein Mädchenheim für Hausangestellte. 1891 initiierte sie die Gründung einer Haushaltungsschule, die später zur Berufs- und Fortbildungsschule wurde.
Ida Sträuli-Knüsli setzte sich zudem für die Einführung des Frauenstimmrechts ein und war überzeugt, dass die Mitwirkung von Frauen das Schweizer Rechtswesen gerechter gestalten würde. Ihr Engagement hinterliess nachhaltige Spuren in der Stadt Winterthur und trug wesentlich zur Verbesserung der sozialen und ökonomischen Stellung der Frauen bei.
Barbara Reinhart-Strasse
Anna Barbara Reinhart (1730-1796) war eine Schweizer Mathematikerin aus Winterthur, die im 18. Jahrhundert für ihre mathematische Begabung und ihre Beiträge zur Wissenschaft bekannt war.
Reinhart korrespondierte mit bedeutenden Gelehrten ihrer Zeit und empfing einige von ihnen persönlich. Sie unterrichtete auch Mathematik; zu ihren Schülern zählten Ulrich Hegner, der spätere Schriftsteller, und Heinrich Bosshard von Rümikon, ein bekannter Laienprediger. Obwohl sie keine eigenen Werke veröffentlichte, verfasste sie umfangreiche handschriftliche Anmerkungen zu den von ihr gelesenen Arbeiten. Diese Manuskripte sind jedoch nach ihrem Tod verschollen.
2003 ehrte ihre Heimatstadt Winterthur ihr Andenken und benannte eine Strasse nach ihr.


Julie Bikle Strasse
Julie Bikle (1871-1962) war eine deutsch-schweizerische Philanthropin aus Winterthur, die sich während und nach dem Ersten Weltkrieg intensiv für humanitäre Anliegen einsetzte.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs gründete sie 1914 aus eigener Initiative die «Ermittlungsstelle für Vermisste» in Winterthur. Diese private Organisation half bei der Suche nach vermissten Militär- und Zivilpersonen und unterstützte Kriegsgefangene mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Büchern.
Nach dem Krieg setzte sich Julie Bikle für die unterernährten Kinder in Deutschland ein. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Arzt Emil Abderhalden initiierte sie ab 1919 ein Kinderhilfswerk, das bis 1924 rund 47’000 deutschen Kindern Erholungsaufenthalte in Schweizer Familien ermöglichte.
Zeitlebens blieb sie sozial engagiert und setzte sich unter anderem für die Unterstützung jüdischer Flüchtlinge ein.
In Winterthur erinnert seit 2008 die Julie-Bikle-Strasse an ihr Wirken.
Hedy Hahnloser Strasse
Hedy Hahnloser-Bühler (1873-1952) war eine Schweizer Kunsthandwerkerin, Kunstsammlerin und Mäzenin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Arthur Hahnloser eine bedeutende Sammlung moderner Kunst aufbaute.
Ihre künstlerische Ausbildung erhielt sie in St. Gallen und München, wo sie Künstler wie Wassily Kandinsky, Paul Klee und Franz Marc kennenlernte.
1898 heiratete sie den Mediziner Arthur Hahnloser. Das Paar zog in die Villa Flora in Winterthur, die im Familienbesitz der Bühlers war. Dort richteten sie eine Augenklinik ein und begannen, eine Kunstsammlung aufzubauen. Ab 1908 reisten sie regelmäßig nach Paris und knüpften Freundschaften mit Künstlern wie Félix Vallotton, Odilon Redon und Pierre Bonnard. In der Schweiz pflegten sie Kontakte zu Ferdinand Hodler und Giovanni Giacometti.
Die von ihr und ihrem Mann aufgebaute Kunstsammlung wurde von den Nachkommen in der Villa Flora als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in eine Stiftung überführt.


Maria Kübler Weg
Maria Susanna Kübler (1814-1873) war eine Schweizer Schriftstellerin und Übersetzerin, die vor allem für ihre Haushaltsratgeber und Kochbücher bekannt ist.
Geboren in Winterthur als Tochter eines Lehrers, wuchs Maria Kübler in der heutigen Altstadt an der Steinberggasse auf. Sie war zweimal verheiratet und zog mit ihrem zweiten Ehemann Johannes Scherr nach Stuttgart. Nach der gescheiterten Revolution in Deutschland 1848 musste Scherr nach Zürich fliehen; Maria folgte ihm 1849 zurück in die Schweiz. Hier war sie nun selbst Flüchtling im eigenen Land, da sie durch die Heirat mit einem Ausländer das Schweizer Bürgerrecht verloren hatte.
Um ihre Familie zu unterstützen, begann sie mit der Arbeit an ihrem Ratgeber und späteren Bestseller «Das Hauswesen», das 1850 erschien und 17 Mal neu aufgelegt wurde.
Nach Fertigstellung des Buches zog die Familie zurück nach Winterthur, wo ihr Ehemann in der Villa Sonnenberg eine Privatschule eröffnete. Maria unterrichtete an der Schule Englisch und Französisch. Die Zeit in Winterthur war ihre Hauptschaffenszeit als Schriftstellerin. Sie schrieb weitere Ratgeber und Kochbücher wie «Der Frauenspiegel» (1854), «Die Hausmutter» (1857) und «Die geschickte Köchin» (1858).
Elisabethenweg
Für den Elisabethenweg standen gleich zwei Frauen Patin, nämlich die ehemalige Prinzessin und Nonne im Dominikanerinnenkloster Töss Elisabeth von Ungarn sowie die Dominikanerin Elisabeth Stagel.
Elisabeth von Ungarn (1293/95–1336) war eine ungarische Prinzessin, die 28 Jahre als Nonne im Dominikanerinnenkloster Töss lebte. Nach dem Tod ihres Vaters, König Andreas III., wurde sie von ihrer Stiefmutter, Königin Agnes von Habsburg, nach Wien gebracht und später mit Herzog Heinrich von Österreich verlobt. Politische Intrigen führten jedoch dazu, dass Elisabeth ins Kloster Töss eintrat, wo sie für ihre Frömmigkeit und angebliche Wunderheilungen bekannt wurde. Nach ihrem Tod wurde sie im Kloster und in Töss als Heilige verehrt. Ihr zu Ehren zeigt das Wappen von Töss bis heute das weiße Ungarenkreuz.
Elisabeth (Elsbeth) Stagel (um 1300–1360) war eine Dominikanernonne und spätere Priorin im Kloster Töss. Sie gilt als Verfasserin des Tösser Schwesternbuchs, einer Sammlung von Lebensgeschichten der Ordensschwestern, und möglicherweise als Mitverfasserin der Legende von Elisabeth von Ungarn. Stagel stand in engem Kontakt mit dem Mystiker Heinrich Seuse, der sie als seine geistliche Tochter bezeichnete. Ihre Werke sind bedeutend für die mittelalterliche deutschschweizerische Literaturgeschichte.


Leonie-Moser-Brücke
Schon seit den frühen 2000er-Jahren stand Leonie Moser (1897–1959) auf der Vorschlagsliste.
2023 beschlossen wir, ihren Namen nochmals aktiv ins Spiel zu bringen. Leonie Moser war eine Pionierin im Bereich der Röntgentechnik und massgeblich an der Entstehung des Berufes der medizinisch-technischen Assistentin Radiologie (MTAR) beteiligt. Ihr Leben lang setzte sie sich für bessere Arbeitsbedingungen und die Professionalisierung ihres Berufsstandes ein. Einen grossen Teil ihrer 33-jährigen Berufstätigkeit verbrachte sie in den Kantonsspitälern Zürich und Winterthur.
Bei unserem Vorschlag haben wir folgende Begründung für die Relevanz von Leonie Moser eingereicht: «Winterthur ist heute eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für Gesundheitsberufe in der Schweiz. Eine Pflegefachfrau zu würdigen, wäre daher mehr als nur angebracht.» Wir freuen uns sehr, dass die Stadt diese Meinung mit uns teilt. Die starke und grosse Brücke passt zu Leonie, die wie eine Löwin für ihren Berufsstand gekämpft hat.