50 Jahre Frauenstimmrecht

Zeitungsinserat des Bundes der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht, Kanton Zürich. Foto: NZZ vom 09. September 1969

Winterthur: Hochburg der Frauenstimmrechtsgegnerinnen

Der Bund der Zürcherinnen gegen das Frauenstimmrecht

1960 schloss sich eine Gruppe von Frauen zum Bund der Zürcherinnen gegen das Frauenstimmrecht zusammen. Das Frauenstimmrecht bedrohte in ihren Augen das traditionelle Frauenbild, welches sie um jeden Preis erhalten wollten – obwohl sie, oftmals hochgebildet und aus gutem Hause stammend, diesem selbst nicht entsprachen. Die Aktivistinnen sahen sich als notgedrungenes Sprachrohr für die von ihnen selbst proklamierte «stille Mehrheit der Frauen» und wehrten sich gegen die «Verpolitisierung der Frau».

Von Nadia Pettannice

Am 1. Februar 1959 wurde das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene vom Stimmvolk mit einem Nein-Anteil von 66% verworfen. Dennoch versammelten sich am 28. Januar 1960 rund 15 alarmierte Frauen in der Limmatstadt und gründeten den Bund der Zürcherinnen gegen das Frauenstimmrecht. Es handelte sich um die Kantonale Sektion des Bundes der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht.

Die Gründungsfrauen erachteten es als ihre «vaterländische Pflicht», den Männern in Hinblick auf weitere Abstimmungen zu beweisen, «dass die Mehrheit der Zürcher Frauen das Stimmrecht nicht begehrt.» Zu viele seien durch die ständige Gängelei der Befürworterinnen bereits mürbe gemacht und vereinnahmt worden.

Um zu zeigen, dass sie wirklich eine Mehrheit vertraten, versuchten die Frauen im Kanton Zürich möglichst viele Mitglieder zu gewinnen. Der Mitgliederbeitrag betrug einen Franken und die Mitgliedschaft wurde streng vertraulich behandelt. Weiter wurde betont, dass keine aktive Teilnahme erforderlich sei. Selbst an der Mitgliederversammlung (MV) galt das Motto: «Die Frau darf schweigen in der Versammlung!»

Von ihrem Recht auf nicht-Teilnahme machten die Mitglieder dann auch an der ersten MV im Jahr 1965 zünftig gebrauch: Von etwa 1300 erfassten Personen nahmen lediglich 34 Frauen teil und wählten mit Fräulein Josephine Emch (1914–1980) eine namhafte Winterthurerin als Aktuarin in den Vorstand. Josephine Emch fiel – wie viele ihrer Mitstreiterinnen –aus dem traditionellen Rollenbild heraus: Sie war zeitlebens ledig geblieben und war gemeinsam mit ihren beiden Brüdern Mitinhaberin des gleichnamigen Baugeschäfts.

Mit der Wahl von Josephine Emch wurde auch die Geschäftsstelle des kantonalen Bundes nach Winterthur verlegt. Schon bald hatte die Eulachstadt den Ruf, eine Hochburg der Gegnerinnen zu sein. Tatsächlich tagten sie gerne im Hotel Wartmann – wo übrigens auch die Frauenstimmrechtsbefürworterinnen verkehrten – oder im Schloss Wülflingen.

Die Frauen schalteten sich mit Inseraten und Leserbriefen in den Abstimmungskampf ein. Besonders schlecht waren sie auf den Landboten zu sprechen. Diesem warfen sie vor, zu einem «Propagandablättchen» der Befürworter verkommen zu sein. Weiter versuchten sie, Einfluss auf das Jugendparlament zu nehmen und sie engagierten sich im Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht. Diesem Komitee gehörten unter anderem Winterthurer Politgrössen wie der Kantonsrat Frédéric Comtesse (FDP), Stadtrat Albert Schätti (BGB) und Kantonsrat Heinrich Schalcher (EVP) an. Sie alle engagierten sich im Abstimmungskampf zur kantonalen Einführung des Frauenstimmrechts von 1966.

Weshalb aber waren die Frauen gegen das Stimmrecht? Sie argumentierten, dass das Familiengefüge sowie die gesamte Gesellschaftsstruktur durch das Stimmrecht einen irreparablen Schaden nehmen würde, da die Frau immer mehr aus dem Haus hinaus in die Öffentlichkeit gedrängt würde. Gleichzeitig zweifelten sie daran, dass grundsätzliche Probleme wie fehlender Respekt oder Häusliche Gewalt gelöst werden würden. Ebenfalls würde die «einfache Schweizerfrau», die schon genügend zu tun hätte, ihrer Bürgerpflicht nachkommen müssen, um das Feld nicht einfach linken Frauen, eingeheirateten Ausländerinnen und intellektuellen Damen zu überlassen. Statt einem Bürgerrecht würde den Schweizerinnen so eine Bürgerpflicht aufgebürdet.

Ihre Bemühungen waren erfolgreich: Die Einführung des Frauenstimmrechts wurde im Kanton Zürich 1966 mit 53% verworfen – in Winterthur lag der Nein-Anteil sogar bei satten 56%. Die Annahme auf eidgenössischer Ebene am 7. Februar 1971 konnten sie hingegen nicht mehr verhindern. So hielt Josephine Emch als ihren letzten Amtsakt am 8. November 1971 protokollarisch fest, dass der Bund der Zürcherinnen gegen das Frauenstimmrecht aufgelöst sei. Die Frauen gelobten, dass sie der ihnen neu aufgebürdeten Bürgerpflicht sofort nachkommen und fleissig an die Urne gehen würden.

228.08.21, np
Foto: Flyer des Aktionskomittees gegen das Frauenstimmrecht im Kanton Zürich, 1966 (Quelle: StAZH)
Soundtrack: Ziggy Secret by LMOP

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