50 Jahre Frauenstimmrecht

Saffa-Schnecke, August 1928 (Gosteli-Stiftung, Fotosammlung C/8, Fotograf*in unbekannt)

 

Das Frauenstimmrecht im Schneckentempo

Der lange Weg zur politischen Gleichstellung

Die erste Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa) präsentierte 1928 die Leistungen der Frau in Familie, Berufswelt, Wissenschaft sowie Kunst und stärkte damit das weibliche Selbstbewusstsein. Der damit einhergehende Wunsch nach Anerkennung der Frauen als politisch und rechtlich mündige Staatsbürgerinnen blieb jedoch noch jahrzehntelang unerfüllt.

Von Kathrin Moeschlin

Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon mehrere Staaten das Frauenstimmrecht eingeführt hatten, war es auch in der Schweiz zu solchen Forderungen gekommen. 1918 wurden im Nationalrat erstmals zwei Motionen für das eidgenössische Frauenstimmrecht eingereicht. Diese wurden ein Jahr später an den Bundesrat überwiesen, wo sie jahrelang in der Schublade verstaubten.

1925 nahmen die Frauen das Zepter selbst in die Hand. Der Bund Schweizerischer Frauenvereine (BSF) ergriff die Initiative für die erste Saffa, die Ende August 1928 in Bern stattfand. Ziel war es, die Unentbehrlichkeit weiblicher Leistungen in Familie und Gesellschaft aufzuzeigen und auf das fehlende Recht der Frauen auf Ausbildung und Arbeit sowie auf ihre fehlende politische Gleichberechtigung aufmerksam zu machen. Die Frauen wollten sich dabei nicht als Konkurrenz der Männer, sondern als notwendige Ergänzung verstanden wissen, wie ein im Vorfeld der Saffa erschienener Artikel im Schweizer Frauenblatt verdeutlicht: «Die Saffa will ja nicht etwa eine stolze Demonstration gegen den Mann sein, sondern herzlich zu ihm sagen: Hier bin ich, deine Lebens- und Arbeitskameradin.»

An der Organisation der Saffa waren neben dem BSF 29 weitere Frauenvereinigungen beteiligt. Für den Bau der Ausstellung wurde die einzige damals selbständig arbeitende Architektin der Schweiz, Lux Guyer (1894-1955) aus Zürich, beauftragt. Zu ihrem Gestaltungskonzept gehörten anstelle von Riesenhallen kleine Zelthallen, die sie mit farbigen Schalungsbrettern abdeckte und deren Innenräume mit Stoffbahnen auskleidete. Damit wollte sie den kleinen, feinen und gefühlvollen Charakter der Frauenarbeit zum Ausdruck bringen. Das Echo auf die Ausstellung war gross. Nationalratspräsident Rudolf Minger hielt fest, die Saffa erfülle ihn mit Staunen und Bewunderung. Die Berner Zeitung „Der Bund“ lobte die ausgestellte Arbeit wie auch die Arbeit für die Ausstellung und schien die Nachricht der Frauen verstanden zu haben: «Was die Frauenarbeit für das Volksganze bedeutet, gilt es heute zu würdigen und zu ehren.» Doch das Staunen und die Bewunderung allein reichte den Frauen noch nicht.

Zur Ausstellung gehörte auch ein Umzug verschiedener Berufsgruppen. Dort führten die fortschrittlich denkenden Frauen eine Riesenschnecke mit, die das politische Diskussionstempo zur Einführung des Frauenstimmrechts illustrierte. Die künstlerische Leitung für den Umzug hatte die Winterthurer Germanistin und Künstlerin Georgette Tentori- Klein (1893-1963). Die Tochter des Sulzer-Direktors Rudolf Klein galt in den 1920er Jahren als Pionierin der modernen Textilkunst. Ausserdem hatte sie sich an der Kunstgewerbeschule Zürich in der Bildhauerei und dem Schnitzen von Marionetten und Handpuppen weitergebildet. An der Saffa leitete sie die Abteilung Puppenspiel und schnitzte nach eigenen Entwürfen Marionetten.

Die Einführung des Frauenstimmrechts kam tatsächlich nur im Schneckentempo voran. Im Anschluss an die Saffa reichte der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht (SVF) 1929 mit Unterstützung anderer Frauenorganisationen, der SP und der Gewerkschaften auf Bundesebene eine Petition für das Frauenstimmrecht ein, die folgenlos blieb. 1958 führte der BSF mit über hundert Frauenorganisationen die zweite Saffa durch. Ein Jahr später fand die erste Volksabstimmung statt, angenommen wurde das Frauenstimmrecht aber erst 1971. Die Saffa besteht bis heute in Form einer Bürgschaftsgenossenschaft zur Förderung von Unternehmerinnen und feiert dieses Jahr ihr 90jähriges Jubiläum.

25.05.21, km
Foto: Puppenspiel an der Saffa 1928 von Georgette Tentori-Klein (Archivi Riuniti delle Donne Ticino mit freundlicher Genehmigung der Fondazione Sciaredo)
Soundtrack: Black Cat Soiree, Bob Hart

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